Ein Gespräch mit Peter Eckart und Bernd Hilpert, unit-design.

Martin Krautter: Zum Einstieg die provokante Frage: Es gibt doch schon ungezählte Piktogrammsysteme – warum entwirft unit-design immer noch weitere, neue Systeme?

Peter Eckart: Piktogrammsysteme haben einen zeitlichen und in unserer Arbeit auch oft einen objektbezogenen Kontext: ein konkretes Gebäude, eine bestimmte Institution. Da sind Standard-Piktogramme oft zu sperrig.

Bernd Hilpert: Ausserdem macht es uns einfach Spass, Piktogramme zu entwickeln. Ein allgemein- und endgültiges System ist gar nicht unser Ziel, wir erfreuen uns an charakteristischen Eigenheiten.

PE: Wir versuchen, bei aller Abstraktion, die Piktogramme an sich haben, auch unsere eigene Gestaltungshaltung einfliessen zu lassen. Unsere Entwürfe sollen ausgewogen und proportioniert sein, sie sollen auch in Reihung und Kombination gut funktionieren. Diese Arbeit ist nie zu Ende.

 

 

MK: Kann man das mit der Typografie, der Vielfalt von Schriften vergleichen?

BH: Innerhalb von zeichenhaften Grundformen gibt es viele Möglichkeiten, die Ausdrucksqualität zu modulieren. Deswegen gibt es wie bei den Schriftarten auch vielfältige Piktogrammsysteme. Je nach Kontext wünscht man sich Piktogramme ernsthafter – etwa am Flughafen, wo es auch um Sicherheit geht – oder leichter, humorvoller. Das schränkt die Funktion, das Erkennen der Nachricht, nicht ein.

 


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MK: Betrachten wir den Entwurfsprozess. Wie sehen denn typische Kontexte aus, wer gibt den Anstoss für die Entwicklung neuer Piktogramme?

PE: Bei Projektstart haben auch unsere Kunden oft wenig Bewusstsein für das Thema. Piktogramm ist doch Piktogramm, denken viele. Die feinen Differenzierungen müssen wir erst vermitteln. So wird die Entwicklung eines Piktogrammsystems zum Teil des Designkonzeptes, das wir vorschlagen.

BH: Es gibt auch Aufträge, wo wir zu einem vorhandenen Corporate Design ein Piktogrammsystem entwickeln. Zum Beispiel für Roche in Basel, wo wir rund 40 Piktogramme gestaltet haben, die auf dem Firmenareal die Services für Mitarbeiter kennzeichnen – eine hoch spezifische Aufgabe und ein grosser Auftrag, bis hin zur Evaluation durch die Mitarbeiter.

PE: Im Service Design, ganz aktuell, spielen Piktogramme auch eine grosse Rolle. Ich kann mit ihnen Serviceabläufe organisieren und kommunizieren, nicht nur im Raum, auch auf Drucksachen oder im Web. In diese Richtung gingen zum Beispiel unsere Projekte für Fraport.

MK: Welche Stellknöpfe habe ich denn bei der Gestaltung eines Piktogrammsystems?

BH: Wir haben drei Gestaltungsebenen, die wahrnehmungspsychologische, semantische und ästhetische Qualität, die in einem guten Piktogramm zusammenkommen müssen. Da kommt es auf die Details an: Linien, Radien, Proportionen.

 

 

PE: Die grosse Herausforderung ist, aus ein oder zwei Zeichen und ihrer Formensprache ein System zu entwickeln, eine Syntax, die sich auf alle Elemente übertragen lässt. Angenommen, man hat für das Symbol „Frau" eine stimmige, wohlproportionierte, leichte Form gefunden. Wie stelle ich im gleichen Duktus ein Motorrad dar?

BH: Dann kommt hinzu: Wie umfangreich wird das System, wie weit geht die Differenzierung? Die Anforderungen gehen manchmal bis ins Unlösbare, wenn Piktogramme zum Beispiel zwischen Meeting-Raum und Konferenzraum unterscheiden sollen.

 

 

PE: Interessante Fragen waren zum Beispiel, wie stelle ich arabische Männer und Frauen dar, oder wie stelle ich Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen von vorne anstatt wie üblich von der Seite dar? Und bei aller Reduktion der Gestaltungsmittel: Die mediale Umsetzung von Piktogrammen ist extrem vielseitig, von Schildern in unterschiedlichsten Größen bis hin zu animierten Zeichen in elektronischen Medien.

MK: Was sind die Stärken von Piktogrammen?

BH: Man sollte meiner Meinung nach den funktionalen Aspekt von Piktogrammen nicht überbewerten. Wir setzen Piktogramme durchaus auch raumgrafisch ein. Sie wirken gut im Raum, weil sie eine bildliche, eine erzählerische Qualität in die Kommunikation bringen. Es ist eine offenere Art der Ansprache als rein über Text.

 

 

PE: Im Piktogramm findet der direkte menschliche Bezug statt. Gegenüber Architekten vergleiche ich das gerne mit den Türklinken oder Handläufen. Das Orientierungssystem und seine Zeichen sprechen den Menschen als Gegenüber an, spiegeln ihn mit einem Bild, das wir ihm anbieten. Ein Dialog entsteht, der über das reine Raumgefühl hinausgeht. Eine unmittelbare Interaktion...

MK ... bei der es eben auch stark auf die Tonalität ankommt?

BH: Es geht nicht nur ums Funktionale, sondern ums Kommunikative in seiner Gesamtheit. Man zeigt durch Piktogramme auch, was man für ein Bild vom Menschen hat und welche Form der Ansprache gewählt wird.

PE: Trotzdem würde ich sagen, wir sind in unserer Gestaltungshaltung natürlich funktional orientiert, das ist eine Grundvoraussetzung.

BH: Ganz ehrlich, ich glaube an vieles nicht, was man Piktogrammen an Funktionalität zuschreibt. Es sind maximal 20 Zeichen, die international gelernt sind und daher funktionieren. Ohne Lernen sind Piktogramme ein Ratespiel. Wir achten darauf, Piktogramme möglichst zusammen mit Text einzusetzen, um diesen Lerneffekt zu ermöglichen: Insbesondere an Orten, wo Menschen ankommen und viel Besucherverkehr herrscht. Wichtig ist zu begreifen: Nicht die künstlerische Qualität gewährleistet die Funktionalität, sondern die kulturelle Überlieferung. Ein Mann als Symbol kann zunächst alles Mögliche bedeuten. Auf einer Tür ist die Sache klar. Schon beim Rollstuhlsymbol ist es heikler: Ist es die Behindertentoilette, oder ein Zugang für Rollstuhlfahrer? Wir schreiben in solchen Fällen sicherheitshalber klein «WC» daneben.

MK: Und schliesslich, welche Designdisziplin hat eigentlich die Kompetenz, solche Systeme zu entwickeln? Es setzt jedenfalls die Beherrschung von grafischen Ausdrucksmitteln voraus.

PE: Es geht um Form, um die Grundlagen der Gestaltung, die eigentlich jeder Designer beherrschen sollte – egal, ob man das abstrakt auf dem Bildschirm oder dreidimensional mit Laubsäge und Sperrholz umsetzt. Wichtig ist die Bereitschaft, sich wirklich mit Details auseinanderzusetzen. Es kommt auf Zehntel-Millimeter an.

BH: Man braucht auch kulturelles Feingefühl, Erfahrung, einen Hintergrund, um den richtigen Ausdruck für die Dinge zu finden, die man symbolisieren möchte. 

PE: Darum geht es ja letztlich - um das Wechselspiel zwischen Detail und Bedeutung.

 

 

Über Martin Krauter studierter Industrie-Designer, «Blogger avant la lettre» für die Webplattform «Euro Design Guide» des Rat für Formgebung 1997, von Ende 1997 bis März 2013 in der Unternehmenskommunikation bei ERCO verantwortlich für Text und Content in Print und Online, u.a. Community Manager für die ERCO Facebook-Seite. Seit April 2013 selbständig als freier Autor für Marken- und Unternehmenskommunikation in Offenbach/Main.